Fachkräftemangel und der Rückzug der Boomer in den Ruhestand stellen Unternehmen jeder Größe vor neue Herausforderungen. Es wird immer schwieriger, wichtige Positionen im Unternehmen adäquat zu besetzen. Ein Lösungsansatz, der seit etwa 20 Jahren diskutiert und praktiziert wird, ist das Talent Management.
Für erfolgreiches Talent Management ist es zielführend, neben „harten“ Faktoren wie Kenntnisse, Qualifikationen und Fertigkeiten auch „weiche“ Faktoren wie Motivation und Persönlichkeit im Blick zu haben. Unternehmen, die sich auf Talent Management einlassen, sollten daher bereit sein, Talent Management als zukunftsorientierte Strategie für mehr Wettbewerbsfähigkeit in ihrer Unternehmenskultur zu verankern.
Entscheidend für gelingendes Talent Management sind die Führungskräfte im Unternehmen, sofern sie dem Talent Management positiv gegenüberstehen und ihre Mitarbeitenden und ihre verborgenen Talente gut kennen. Schließlich sollen nicht nur die sogenannten High Potentials ihre Potenziale ausschöpfen, sondern alle Mitarbeitenden. Prozessbegleiter sind die Personalabteilung sowie auf Talent Management spezialisierte Dienstleister*innen.
Ein Industrie-Unternehmen, dessen Produkte sich jahrelang quasi von selbst verkauften, beschloss, seinen Vertrieb neu aufzustellen und zog mich als Expertin hinzu. Eine erste Analyse ergab, dass die vorhandenen Mitarbeitenden im Vertrieb nur wenige Tage im Monat im Außendienst bei den Kunden unterwegs waren – definitiv zu wenig, um die Wertschöpfung zu erhöhen. Für die Reorganisation betrachteten wir zunächst die Potenziale der vorhandenen Führungskräfte und Mitarbeitenden im Vertrieb. Das Ergebnis: Dem bisherigen Vertriebsleiter wurde die Position des Geschäftsbereichsleiters Vertrieb und damit ein größerer Aufgabenbereich übertragen. Im bisherigen Vertriebsteam waren zwar alle an einem Firmenwagen interessiert, jedoch nur wenige bereit, mehrere Tage in der Woche unterwegs bei Kunden zu sein. Was tun?
Im ersten Schritt wurden den wichtigsten Kunden die besten Verkäufer zugeteilt. Danach begann die Suche nach Vertriebstalenten in der Firma, wobei wir uns auf vertriebsaffine Abteilungen wie Finanzen, Logistik, Einkauf oder Kundendienst konzentrierten. Wir wurden fündig, doch Motivation und Persönlichkeit reichen natürlich nicht aus, um erfolgreich im Vertrieb zu arbeiten. Anstelle langwieriger und teurer Schulungen beschlossen wir, den neuen Team-Mitgliedern erfahrene Vertriebler, die die Vorzüge der Produkte des Unternehmens kannten, als Buddy zur Seite zu stellen. Sie übernahmen die fachliche Leitung der Neulinge, die administrative Personalverantwortung hingegen übernahmen Vorgesetzte, die sich für Personalentwicklung interessierten. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Angesichts der demographischen sowie technologischen Entwicklung wird es aus meiner Sicht für Unternehmen jeder Größe immer wichtiger, alle Potenziale ihrer Mitarbeitenden auf dem Schirm zu behalten, um sie gegebenenfalls an anderer Stelle einsetzen zu können. Berufsbilder und Tätigkeitsfelder verändern sich in immer kürzeren Zyklen, neues Wissen durch neues Personal in die Unternehmen zu bringen, immer schwieriger. Unternehmen, die alle vorhandenen Potenziale ihrer Mitarbeitenden gezielt ausschöpfen und ihnen Karriereperspektiven und Entwicklungsperspektiven anbieten, haben die besten Chancen, auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein.
Branchen, die auf der Suche nach jungen Nachwuchskräften sind, sollten sich darüber hinaus mit Talent Scouting befassen. Dieser Begriff wird vor allem für die Suche nach jungen Talenten in den Abschlussjahren der Schul- und Universitätsausbildung verwendet. Vielen ist Talent Scouting vom Fußball bekannt. Talent Scouts suchen gezielt in den Jugendmannschaften von Vereinen nach jungen Spielerinnen und Spielern, um sie frühzeitig fördern und gewinnbringend einsetzen zu können.