Bezüglich der Demographie habe ich meist zwei Themen angeschnitten: zum einen, dass die jüngeren Generationen anders ticken und deswegen andere Bedürfnisse haben, was die Gestaltung ihres Lebens angeht. Zum anderen habe ich immer darauf hingewiesen, dass die 50+er nicht alle in einen Topf geworfen werden sollten (was ich strikt genommen bei den Jungen wohl getan habe…). Es gibt durchaus ältere Menschen, die voll und ganz mit den neuen Technologien klarkommen. Und wenn man anschaut, wer Innovationen hervorbringt, sind das häufiger Vertreter älterer Generationen und nicht die Generationen Y oder Z.
Zumal die älteren Generationen eine wichtige Konsumentengruppe sind. Das erste Mal, dass ältere Menschen auf den Schirm der Produkt-Entwicklung kamen, war die Konzeption der A-Klasse von Mercedes. Bei dieser wurden die Sitzflächen bewusst höher gesetzt, um den Ein- und Ausstieg zu erleichtern. In der Zwischenzeit gibt es unzählige Produkte, die für ältere Generationen designet sind. Angesichts einer alternden Gesellschaft ist davon auszugehen, dass sich auch in Zukunft zahlreiche Innovationen und Neuerungen auf ältere Menschen fokussieren.
Wie ließen sich jedoch bestehende Produkte und Dienstleistungen so gestalten, dass sie allen Generationen dienlich sind?
Eine Entwicklung, die mir immer Rätsel aufgegeben hat, ist die der absolut kleinen und unsichtbaren Hörgeräte. Als ich meinen damals 81jährigen Vater beobachten musste, wie er sich mit diesen Stecknadelkopf-großen Geräten beim Einsetzen und Batteriewechsel herumgeplagt hat, dachte ich mir: Hier geht das Design an der größten Kundengruppe vorbei. Natürlich sind auch ältere Menschen eitel, doch wenn sie sich dafür entscheiden, ein Hörgerät zu erwerben, möchten sie bestimmt allein damit umgehen können – selbst mit eingeschränkter Feinmotorik.
Wir alle haben wahrscheinlich noch die beinahe satirische Situation im Gedächtnis, dass die ersten Impftermine für die 70+er am besten per Internet vereinbart werden sollten. Das gesamte Prozedere war so kompliziert gestaltet, dass es selbst für viele jüngere Menschen nicht mehr nachzuvollziehen war. Es wurde beim Design also wieder an der Zielgruppe vorbei gestaltet.
Auch jüngere Menschen schätzen es übrigens, wenn ein Prozess unkompliziert und selbsterklärend gestaltet ist. Deshalb haben fast alle Online-Shops die von Amazon eingeführten Prinzipien übernommen. Inzwischen sind solche Prozesse auch bei Online-Bewerbungen zu beobachten. Wenn ein junger Mensch eine Bewerbung einfach durch das Weiterleiten des Xing- oder LinkedIn-Profils abgeben kann, wird er sich wahrscheinlich nicht dazu durchringen können, mühsam einen langen Internet-Fragebogen mit eben den gleichen Daten auszufüllen.
Wenn wir den Blick erweitern, uns den Megatrends zuwenden und diese mit der Silver Society in Verbindung bringen: Was könnte dabei entstehen? Beispiel Mobilität: Das Konzept Car Sharing hat bereits viele, auch ältere Menschen überlegen lassen, ob sie sich nur noch ein Auto nehmen, wenn sie es tatsächlich brauchen. Da das Car Sharing-Angebot stetig ausgebaut wird, kann das Konzept in Großstädten durchaus funktionieren, vor allem angesichts der zunehmenden Parkplatznot.
Wie könnten jedoch Mobilitätsangebote für noch ältere Menschen aussehen? Mobil sein möchte man, um dahin zu kommen, wo man hin muss. Als älterer Mensch sind das vor allem Einkäufe, Freunde und Verwandte sowie Ärzte. Diejenigen, die selbst noch mobil sind, nehmen entweder den ÖPNV oder machen Car-Sharing. Diejenigen, die nicht mehr mobil sind, könnten von Lieferdiensten Gebrauch machen. Hier gibt es inzwischen vielfältige Konzepte, zum Beispiel für den Großeinkauf mit längerer Vorplanung sowie den Kleineinkauf mit Lieferung innerhalb der nächsten halben Stunde. Bei den Besuchen von Mensch zu Mensch gibt es jedoch noch Verbesserungspotenzial. Hausbesuche von Ärzten sind eher selten geworden, besonders in Großstädten. Hier hilft zunächst der Internet-Doktor, der eine erste Diagnose geben kann. Doch nicht alle Senioren können und möchten solche Angebote nutzen. Doch wie wäre es, wenn man die Roboter-Idee, die große Logistik-Zentren bereits einsetzen, für Menschen einsetzen könnte, zum Beispiel als selbstfahrendes Taxi oder perspektivisch in der Pflege? Allein für die Baby Boomer, die in den kommenden Jahren in Rente gehen, werden laut Zeitungsberichten in Zukunft 500.000 Pfleger und Pflegerinnen benötigt. Woher diese kommen sollen – keine Ahnung. Ich selbst bin bereits jetzt fest entschlossen, mich im Alter durch einen Roboter unterstützen zu lassen. Jetzt werden einige sagen: Das ist doch unpersönlich! Gegenfrage: Was bedeutet persönlich? Zuhören und mitdenken? Anpacken? Da sein, wenn Hilfe benötigt wird? Vieles macht ein Roboter geduldiger als ein Mensch.
Vielleicht ist das ein zu revolutionäres Konzept. Was ich hier ansprechen wollte, ist: Wie können Sie Ihr Produkt- oder Service-Angebot auf den Nutzen für die ältere Generation überprüfen? Entscheidend ist die Antwort auf die Frage, ob sich Bestehendes anpassen lässt oder ob neue Angebote zu definieren sind, um dieser immer größer werdenden Gruppe gerecht zu werden. Für das Design sind meist Menschen verantwortlich, die noch voll im Arbeitsleben stehen und völlig andere Bedürfnisse haben als Menschen, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen. Fragen Sie doch einfach einige Seniorinnen und Senioren, wie diese Ihr Produkt anwenden würden und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Jetzt kommt Ihnen sicher der Spot mit dem iPad in den Sinn. Was wäre, wenn dies ginge? Wenn man tatsächlich ein Rezept in der passenden Schriftgröße auf dem iPad lesen könnte, während man auf dem Bildschirm die Zutaten schneidet?
Sie sehen, hier gibt es viel Potenzial für Spinnereien und Fantasie, die in neue Geschäftsideen münden können. Wenn Sie bei diesen Überlegungen Unterstützung wünschen: Anruf genügt!